Ausstellung in Frankfurt zum Gutenberg-Jahr 2018:

Hinter dem Pergament: die Welt

Der Frankfurter Kaufmann Peter Ugelheimer und die Kunst der Buchmalerei im Venedig der Renaissance

 

Sonderausstellung im Dommuseum Frankfurt am Main 9.3.–10.6.2018

Aus Anlass des 550. Todestags von Johannes Gutenberg

 

Mit Peter Ugelheimer (um 1445–1487/88) steht eine beeindruckende, aber heute fast unbekannte Gestalt der italienischen Renaissance im Mittelpunkt dieser Sonderausstellung, die das Dommuseum Frankfurt im Kreuzgang des Kaiserdoms zeigen wird. Der nach Venedig ausgewanderte Frankfurter Kaufmann hat entscheidend zum Aufstieg seiner neuen Heimat zur italienischen Hauptstadt des Buchdrucks beigetragen und war dort Pionier des modernen Buchhandels und einer der ersten wirklichen Verleger. Ugelheimer war zudem ein Mäzen von überragender Bedeutung, wahrscheinlich sogar der bedeutendste deutsche Auftraggeber der italienischen Renaissance. Für seine Privatsammlung ließ er eine große Zahl exquisiter Buchmalereien und prachtvoller Bucheinbände anfertigen, die zu den wertvollsten Stücken seiner Zeit gehören.

Innozenz IV.: Apparatus, Venedig: Johann Herbort von Seligenstadt für das Konsortium Johannes de Colonia, Nicolaus Jenson et socii, 1481, Eingangsdiptychon mit dem Athener Gesetzgeber Solon und dem Papst beim Urteilsspruch – Gotha, Forschungsbibliothek, Mon. typ. 1481 2° 10 (Aufnahme: Bibliothek)

 

 

Der Kaufmannssohn aus Frankfurt

In dem damals vergleichsweise übersichtlichen Frankfurt erscheint der Kaufmannssohn Ugelheimer zunächst als ein Mitglied der Oberschicht unter anderen. Er wächst in der Fahrgasse auf, damals Frankfurts wichtigste Straße, die auf die einzige Mainbrücke zuläuft. Eine Tante mütterlicherseits ist die Mutter des bekannten Frankfurter Stifters Jakob Heller, zwei seiner Brüder werden Kaufleute wie er und ein anderer Kanoniker am Bartholomäusstift, dem heutigen Dom. Ugelheimer heiratet eine Nachbarstochter, und wir begegnen ihm bei Hochzeitsvorbereitungen von Verwandten und sogar Schießwettbewerben im Rheingau. Aber die Beziehungen zu Venedig und das Geschäft mit Büchern wurden Peter regelrecht in die Wiege gelegt. Schon sein Vater war im Venedighandel aktiv und investierte anscheinend bereits zu einer Zeit in den Buchdruck, als Johannes Gutenberg gerade erst seine Bibel vollendete.
Nach Ugelheimers Weggang nach Italien reißen seine Kontakte in die Heimatstadt nicht ab. Er besitzt weiterhin ein Haus in der Fahrgasse, in dem sein Schwager und Geschäftspartner lebt, und bei seinem Bruder Johannes lagern wertvolle Bücher. Ugelheimer kommt immer wieder auf die Frankfurter Messe, für die er auch in Venedig als Sprecher auftritt, und viele venezianische Drucke gelangen durch ihn auf den deutschen Markt.

Johann Faber von Kreuznach (Entwurf): Belagerung Frankfurts 1552, Neudr. Frankfurt: Cortoys, 1586, Ausschnitt mit Fahrgasse und St. Bartholomäus – Frankfurt, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Kunstinv. Nr. 78 (Aufnahme: Axel Schneider)

Ein venezianischer Buchgroßhändler und Verleger avant la lettre

1469, als wir erste Spuren Peter Ugelheimers in Venedig finden, scheint er noch im Auftrag der Frankfurter Blumgesellschaft zwischen Frankfurt und der Lagunenstadt hin- und herzureisen. Wenige Jahre später ist er wirklich in der italienischen Handelsmetropole angekommen, betreibt eigene Geschäfte und wird wahrscheinlich 1481 venezianischer Bürger. Er wohnt nicht wie die anderen Deutschen im Fondaco dei Tedeschi, ja vielleicht besitzt er sogar gleichzeitig mehrere Adressen in der Stadt. In seinem offenbar ansehnlichen „kauffhuße“ beherbergt er 1483 für drei Wochen den Kanzler der Mainzer Kirche Bernhard von Breydenbach und dessen illustre Pilgergefährten auf dem Weg nach Jerusalem.
Ugelheimer genießt in der Stadt zweifellos hohes Ansehen. Breydenbach zeigt sich beeindruckt von den Beziehungen seines Gastgebers zum Rat der Stadt und den venezianischen Reedern. Noch 1499, als der heute viel berühmtere Verleger Aldus Manutius die Briefe der hl. Katharina drucken will, bürgt Ugelheimers Witwe Margarete für ihn.
Reichtum und Prestige Ugelheimers basieren vor allem auf seiner Rolle als Buchhändler und Financier von Buchdruckern. Es waren überwiegend seine Landsleute gewesen, die die Erfindung Gutenbergs in Venedig eingeführt hatten, doch bei aller Nähe Ugelheimers zu den deutschen Druckern verbindet ihn eine besonders enge Freundschaft mit dem französischen Drucker und Formschneider Nicolas Jenson. Von Jenson, der vielleicht bei Gutenberg ausgebildet wurde, stammt eine bis heute vorbildliche Antiqua-Type. Ugelheimer tritt gegen 1476 einer von Jenson und dem Frankfurter Johann Rauchfass gegründeten Druckgesellschaft bei, die zum Musterbeispiel frühkapitalistischen Wirtschaftens wird. Zugleich baut der Kaufmann in Mittel- und Oberitalien ein Buchhandelsnetz von damals noch beispiellosem Umfang auf, das sogar in weit entfernten Städten wie Florenz, Pisa, Perugia und Mailand Filialen besitzt. Nach Deutschland verkauft er auf der Frankfurter Messe und durch reisende Vertreter. Ugelheimer und seinen Partnern und Konkurrenten gelingt es dann auch in kürzester Zeit, Venedig zur Hauptstadt des Buchdrucks in Italien zu machen.
Als Jenson und er 1480 die deutschstämmige Konkurrenz ins Boot holen, schaffen sie ein marktbeherrschendes Syndikat, das auch nach Jensons Ableben im selben Jahr noch fortbesteht. Der Kaufmann Ugelheimer erbt von Jenson sogar die Stempel, mit denen die Drucktypen hergestellt werden, und wird nun zu einem der ersten wirklichen Verleger. 1484 gibt er das Buchhandelsnetz ab, vertreibt aber weiterhin Bücher an mehreren Orten. Auf einer Reise nach Mailand ist er 1487 oder 1488 dort gestorben und in S. Maria delle Grazie beigesetzt worden.

Die schönsten Bücher der Welt?

Als Peter Ugelheimer nach Venedig kommt, holt die Stadt gerade mit Riesenschritten den künstlerischen Vorsprung der Toskana auf. Unter dem Einfluss Andrea Mantegnas und Antonello da Messinas erschaffen die Künstlerfamilien Bellini und Vivarini in der Tafelmalerei und der heute weitgehend verlorenen Wandmalerei einen ganz eigenständigen venezianischen Bilderkosmos. Baumeister und Bildhauer wie Mauro Codussi, Antonio Rizzo und die Lombardo fangen zur gleichen Zeit an, das noch gotisch geprägte Gesicht der Stadt im Sinne der Renaissance zu verändern. Ausgerechnet die Einführung des mechanischen Verfahrens des Buchdrucks löst zudem 1469 einen beispiellosen Boom in der Buchmalerei aus.
Schon in diesem Jahr konkurriert der junge Kaufmann als Büchersammler mit den humanistisch gebildeten Adligen Venedigs. Wie so manche von ihnen erwirbt er eines der beiden ersten in Venedig gedruckten Bücher, die „Naturgeschichte“ des Plinius, und lässt es mit Buchmalereien verzieren. Natürlich ist Ugelheimers Exemplar auf Pergament gedruckt und nicht auf dem günstigeren Papier. Damit ist bereits das erste bekannte Buch seiner Sammlung ein Vorzeigeexemplar. Und selbstverständlich prangt auf der ersten Seite das silber-blaue Familienwappen mit der goldenen Fessel, das später immer wieder auf und in den Büchern Ugelheimers erscheinen wird.
Der Frankfurter Kaufmannssohn, von dessen Schulbildung und Wissenshorizont wir nichts wissen, wird nun neben Fürsten, Kardinälen und Päpsten zu einem der größten und spendabelsten Bibliophilen seiner Zeit. Mindestens 16 illuminierte Bände, 14 gedruckte Bücher und zwei Handschriften, sind aus Ugelheimers Sammlung erhalten. Die Liste der Künstler, die er beschäftigt, liest sich wie das Who-is-who der führenden Buchmaler der Lagunenstadt. Die verschwenderische Ausstattung und intellektuelle Raffinesse von Ugelheimers Büchern versetzen bis heute die Betrachter in Staunen. Am faszinierendsten ist das Spiel mit mehreren Realitätsebenen, das sich auf vielen bemalten Seiten findet, so etwa, wenn der Text scheinbar auf Pergamentfetzen steht, deren Ränder sich einrollen, während in Wirklichkeit dies alles nur um den gedruckten Text herumgemalt ist. „Aufgehängt“ sind diese „Fetzen“ dann obendrein an grandiosen antikischen Architekturen, die in weiten, von mythischen Wesen bevölkerten Landschaften stehen. Und diese gemalte Welt wird noch einmal von einem anderen Augentrug überlagert, wenn es wirkt, als seien wertvolle Goldschmiedearbeiten mit Steinen und antiken Gemmen am Pergament befestigt, ja durch es hindurchgestochen.
Nicht weniger anspruchsvoll sind die Einbände: Die Buchhüllen ahmen persische und mamelukische Bucheinbände nach. Auf ihnen finden sich orientalische Muster, die in der in Europa ganz neuen Goldpresstechnik geschaffen sind, und sogar durchschnittenes Lederfiligran, das mit bunter Seide hinterlegt ist. Eine zusätzliche Zierde sind wächserne Nachgüsse antiker Münzen. Drei aufeinanderfolgende Werkgruppen beweisen, dass Ugelheimer für seine Einbände ständig neue Experimente fordert.

Eine Ausstellung zum Staunen

Das Dommuseum wird auf seiner mit gut 50 Originalen bestückten Schau zum ersten Mal in Deutschland die wunderbaren Kunstschätze aus Ugelheimers Sammlung präsentieren. Auch sein Exemplar der „Naturgeschichte“ wird dazu aus der Bibliothèque nationale in Paris ausgeliehen. Aus Darmstadt, Dresden, Den Haag und Gotha kommen atemberaubende Prachtwerke aus der Spätzeit seines Wirkens. Daneben sollen Urkunden, Druckausgaben der Konkurrenz, alte Stadtansichten sowie die viel bescheideneren Bücher seines Bruders Johann die Lebenswelten Ugelheimers in Frankfurt und Venedig anschaulich machen. Zu den besonderen Attraktionen werden mehrere bisher unbekannte venezianische Buchmalereien gehören, die sich andere Frankfurter Patrizier zeitgleich mit Ugelheimer angeschafft haben, sowie die berühmte 1,60 m breite Faltansicht Venedigs, die von Erhard Reuwich begonnen wurde, als er zusammen mit Bernhard von Breydenbach bei Ugelheimer zu Gast war. Gezeigt wird auch die älteste Studienbescheinigung der Universität Mainz, 1481 auf Pergament für Johann Ugelheimer ausgestellt, der sich 1477 bei Jakob Welder eingeschrieben hatte.

 

Links

Dommuseum Frankfurt (mit praktischen Informationen)

(Achtung: Die U-Bahn-Station Dom/Römer wird während der Ausstellung nicht angefahren! Hierzu der Bericht in der Frankfurter Rundschau: www.fr.de/rhein-main/verkehr/u-bahn-station-dom-roemer-in-frankfurt-keine-u-bahn-zum-roemer-a-1395182)

Facebook-Seite Peter Ugelheimer

Wikipedia-Eintrag Peter Ugelheimer