* Mainz, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum, Inv. Nr. B 00258

Festtagsevangelistar aus St. Stephan in Mainz

Alte Signatur: Hs 973; bekannt als Cod. Kautzsch 2 - Pergament - II + 32 + I Bll. - 28,3 x 20,9 cm - Mainz (Hoffmann) oder Lorsch und Worms (Lauer) - um 1000

 

Schrift und Ausstattung

Goldene Unziale auf golden und silbern gerahmten Purpurfeldern; selten Monumentalcapitalis als Auszeichnungsschrift. Gold-silberne Flechtbandinitialen zu allen Evangelienanfängen, 1r und 23r Dracheninitialen.

 

Geschichte der Handschrift

Zwei inhaltlich ineinander übergehende, im Initial- wie im Schreibstil aber klar unterschiedene Abschnitte: Hand A (1r-16v) nach Hoffmann von der Reichenau gekommen und vom Trierer Registrum-Meister (wegen der Initialen) beeinflusst, dennoch in Mainz tätig und auch an den Hss. Clm 8102 und Gotha Membr. I,84 beteiligt. Die schwächere Hand B (17r-30v) sei sicher mainzerisch. Nach Lauer hingegen 1-16 in Lorsch gefertigt und der zweite Teil vermutlich im Cyriacuskloster in Worms-Neuhausen ergänzt.

Nach Angaben von Johann Konrad Dahl aus dem Stift St. Stephan in Mainz, einer 1802 aufgehobenen Gründung Erzbischof Willigis'. Die Verwandtschaft des Deckels mit dem von Inv. Nr. B 00259 (bekannt als Cod. Kautzsch 3) lässt vermuten, dass sich die Handschrift spätestens im 14. Jh. am selben Ort befand. Lauers Entstehungsthese (s.o.) führt ihn zu der Überlegung, die Handschrift sei vielleicht schon unter Willigis durch Bischof Burchard von Worms aus St. Cyriacus nach St. Stephan gebracht worden. Bei einer Mainzer Entstehung eine Stiftung direkt an St. Stephan wahrscheinlicher.

 

Literatur

Dahl, Johann Konrad: Alte Lectionarien und Codices Evangeliorum im Domstift zu Mainz befindlich, Manuskript im Stadtarchiv Mainz, Nachlass Dahl Fasz. 1,20, o.J. (nach 1802), Nr. 2 (fol. 1r-2v), vgl. auch fol. 3v-4r. [1r; 1v; 2r; 2v3v; 4r]

Kautzsch, Rudolf/Neeb, Ernst: Der Dom zu Mainz (Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Kreises Mainz. Bd. 2: Die kirchlichen Kunstdenkmäler der Stadt Mainz 1), Darmstadt 1919, S. 366-367.

Gündel, Christian: Der Mainzer Domschatz, Mainz 1962, S. 20.

Klauser, Theodor (Hrsg.): Das römische Capitulare Evangeliorum (Liturgiegeschichtliche Quellen und Forschungen 28), 2., um Verbesserungen und Ergänzungen vermehrte Aufl. (1. Aufl.: 1935), Münster i.W. 1972, S. CI, Nr. 177.

Lauer, Rolf: Mainzer Buchmalerei in der Willigiszeit, in: Wilhelm Jung (Hrsg.): Tausend Jahre Mainzer Dom (975-1975). Werden und Wandel (Ausst. Kat. Mainz 1975), Mainz 1975, S. 58-69, hier 68-69.

Fritz, Johann Michael: Goldschmiedekunst der Gotik in Mitteleuropa, München 1982, S. 210-211 (Abb. 191).

Lüdke, Dietmar: Die Statuetten der gotischen Goldschmiede, 2 Bde., Diss. Tübingen 1979, München 1983, Kat. Nr. 317.

Hoffmann, Hartmut: Buchkunst und Königtum im ottonischen und frühsalischen Reich (Schriften der Monumenta Germaniae Historica 30,III), 2 Bde., Stuttgart 1986, S. 243-244.

Otto, Rita: Zu Mainzer Handschriften des frühen Mittelalters, in: Mainzer Zeitschrift/Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte 81, 1986, S. 1-12, hier 5.

Lauer, Rudolf Ferdinand (Rolf): Studien zur ottonischen Mainzer Buchmalerei, Diss. Bonn 1974, Bonn 1987, S. 108-109.

Krämer, Sigrid: Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1), 3 Teile, Teil 3 unter Beteiligung von Michael Bernhard, München 1989-1990, Teil 2, S. 550.

Euw, Anton von (Konzeption): Vor dem Jahr 1000. Abendländische Buchkunst zur Zeit der Kaiserin Theophanu (Ausst.-Kat. Köln 1991), Köln 1991, Nr. 24 (Rolf Lauer).

Kindermann, Udo (Ersted., Übers. und Komm.): Kunstdenkmäler zwischen Antwerpen und Trient. Beschreibungen und Bewertungen des Jesuiten Daniel Papebroch aus dem Jahre 1660, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 82 [Identität mit der erwähnten Handschrift unsicher].

Kotzur, Hans-Jürgen (Hrsg.): Dommuseum Mainz. Führer durch die Sammlung, bearb. v. Alexandra König, Diana Ecker, Bettina Schüpke, Mainz 2008, Nr. 24.

Kotzur, Hans-Jürgen (Hrsg.): Der verschwundene Dom. Wahrnehmung und Wandel der Mainzer Kathedrale im Lauf der Jahrhunderte (Ausst.Kat. Mainz, Bischöfliches Dom und Diözesanmuseum 2011), Mainz 2011, Kat. Nr. 8 (Winfried Wilhelmy).

 

Abbildungen

Vorderdeckel [Gündel 1962, S. 20]

1r [Otto 1985, Taf. 7; in Farbe]

2v-3r [als 3v-4r: Ausst.-Kat. Köln 1991, Abb. 78; in Farbe]

9v [Otto 1985, Taf. 7; in Farbe]

16r [Ausst.-Kat. Mainz 2011, S. 423; in Farbe]

17v-18r [16v-17r: Ausst.-Kat. Köln 1991, Abb. 79; in Farbe]

 

Einband

Vermutlich im frühen 19. Jh. stark restaurierter Buchdeckel; die Spiegel mit modernen Seiden ausgekleidet. Vorne über rotem Samt in einem durchbrochen gearbeiteten Goldschmiederahmen in vergoldetem Silberguss eine plastische Kreuzigung Christi mit Maria und Johannes, Mainz, um 1300 oder Ende 13. Jh. (Fritz), Anfang 14. Jh. (Lüdke) oder 1340-1350 (Kautzsch/Neeb).

 

Inhalt

1r-31r Evangelistar mit 25 Evangelienlesungen

1r-28v Temporale-Sanktorale, beginnend mit der Weihnachtsvigil. - Heiligenfeste: Stephanus, Johannes Apostolus, Innocentes, (Purificatio Mariae), Philippus und Jakobus mit St. Walburga, Johannes Baptista, Petrus, Cyriacus, >In assumptione sanctae mariae<, >In natale sancti michahelis archangelis<, Allerheiligen, Martin, Andreas.
28v-30v Commune sanctorum.
30v-31r Evangelienlesung >In dedicatione ecclesiae<.

 

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