Antiphonarium Carmelitanum (erster von 5 Bänden)
Alte Signatur: Ms. 977a - Pergament - I + 251 + II Bl. (gez. 2-278; Bl. 5, 7, 36, 62, 68, 73, 77, 85, 88, 146, 166, 168, 175, 179, 202, 215, 233, 238, 264 fehlen, 4 ist heute in München; 278-280 Ergänzungen aus Papier; 109 und 177 bei Zählung ausgelassen) - 54,3 x 37 cm - Mainz, Karmeliter - 1430
Schrift und Ausstattung
Textura. Der Schreiber bis auf Bl. 2-3 nach J. König der von ihr so benannte "Anonymus" (vgl. B 00330 Band E). Quadratnotation auf rotem Vierliniensystem. Alterniernd rote und blaue Fleuronné-Initialen für die Antiphone und Responsorien und im Weihnachtsevangelium. Am Anfang der Versikel überwiegend Cadellen (ca. 300), gefüllt mit in lavierender Federzeichnung angelegten Pflanzen, Köpfen, (Tier-)Drolerien, Architekturen und - vor allem gegen Ende - Szenerien. Von J. König bis auf 211r-240v und 251r -260v dem "Anonymus" zugeschrieben.
Als nächsthöhere Auszeichnungsmöglichkeit farbige Fleuronné-Initialen mit Deckfarbenranken: 60r, 66r, 80r, 98r, 102v, 108r, 112r, 122v, 127v, 137v, 142r, 149r, 173v, 187v, 209r, 247r, 253v, 270r. - Bei der E-Initiale 4v (in München) im Bas-de-page zwei Stifterwappen, zwei weitere und Bilder der Stifter auf dem verlorenen, aber von Müller 1832 (S. 59-60) beschriebenen 5r. Deckfarbeninitialen mit Gold und Stabranken, zumeist vor den Responsorien der Sonntagsmatutines und vor den Sonntagslaudes: 4r (in München), 16v (Initialbild herausgeschnitten), 23v, 31r, 44r, 48v, 56v, 70r, 72r, 76r, 125r. Mit den fehlenden Seiten ist ein erheblicher Teil des Buchschmucks verlorengegangen. Das einst mit Bl. 4 zusammenhängende, von F.-H. Müller (1832) beschriebene Bl. 5 zeigte nach der Beschreibung bei Müller 1832 auf dem Recto die Figuren des Stifters, seiner Eltern und eines weiteren Mönches sowie zwei weitere Wappen.
Geschichte der Handschrift
Signatur A auf dem Vorderdeckel, Ir: Signatur "977a" (20. Jh.). Im Verlaufe des 19. Jhs. in das Dommuseum gelangt. Von Johannes Fabri, dem späteren Prior des Mainzer Karmeliterklosters, für dieses Kloster in Auftrag gegeben: Widmung mit Datierung 1430 ehem. 4r sowie ehemals 4v die Stifterwappen goldener Adler in Rot und goldener Ochse in Rot mit Sternen, heute Clm 29316(144, nach J. König wohl der Familien Fabri und Haseney (zuletzt ed.: J. König 2006, S. 29). Weitere Stifterwappen ursprünglich 5r: Steigender goldener Hirsch in Rot und silberner Sparren in Blau, umgeben von goldenen Kleeblättern; nach König vermutlich die Wappen Peter Fabris, des Bruders des Stifters, und der Familie Kirschenhach.
Das Münchener Blatt erscheint 1827 im Kunsthandel, wurde dann von der Münchner Galerie Helbig im Auktionskatalog vom 5.12.1904 als Nr. 1967 geführt und 1912 von der Bayerischen Staatsbibliothek erworben. Als möglichen Dieb der Seite benennt F. Arens Franz-Josef Bodmann, 1806-1814 Leiter der Stadtbibliothek Mainz. Teile von dessen Sammlung waren auf Schloss Miltenberg gelangt, von wo aus wiederum ein Teil der Auktionsware bei Helbig 1904 stammt.
Literatur
Bericht des Vereins der Freunde der Literatur und Kunst (Mainz) 4/7, September 1827, o.S.
Müller, Franz-Hubert: Ein mit Miniaturmalerei verzierter Anfangsbuchstabe aus einem Psalterium, in: Beiträge zur teutschen Kunst und Geschichtskunde durch Kunstdenkmale mit vorzüglicher Berücksichtigung des Mittelalters 1832 (2. Aufl. 1837), S. 59-61 (Nr. XVI).
Kautzsch, Rudolf/Neeb, Ernst: Der Dom zu Mainz (Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Kreises Mainz. Bd. 2: Die kirchlichen Kunstdenkmäler der Stadt Mainz 1), Darmstadt 1919, S. 370-372.
Güse, Eleonore: Der Bilderschmuck der Zwingenberger Burgkapelle im Rahmen der Wandmalereien und der Karmeliterkunst am Mittelrhein, Diss. masch. Bonn 1943. [Nicht gesehen.]
Arens, Fritz: Ein Blatt aus den Mainzer Karmeliter-Chorbüchern, in: Jahrbuch für das Bistum Mainz 8, 1958-1960, S. 341-346.
Frommberger-Weber, Ulrike: Spätgotische Buchmalerei in den Städten Speyer, Worms und Heidelberg (1440–1510). Ein Beitrag zur Malerei des nördlichen Oberrheingebietes im ausgehenden Mittelalter, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 121, 1973, S. 35–145, hier 81, 89 Anm. 211.
Vaassen, Elgin: Die Werkstatt der Mainzer Riesenbibel in Würzburg und ihr Umkreis, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 13, 1973, Sp. 1121-1428, hier 1134, 1147-1154.
Boyce, James John: Cantica Carmelitana. The Chants of the Carmelite Office, 2 Bde., unpubl. Diss. New York 1984, S. 54-60 u. passim; Sigel CarMA.
Höhle, Gisela: Zur ober- und mittelrheinischen Buchmalerei um die Mitte des 15. Jahrhunderts ausgehend von zwei Maltraktaten, Diss. Masch. Berlin 1984.
Boyce, James John: Die Mainzer Karmeliterchorbücher und die Liturgische Tradition des Karmeliterordens, in: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte 39, 1987, S. 267-303.
Oltrogge, Doris/Fuchs, Robert: Untersuchungen rheinischer Buchmalerei des 15. Jahrhunderts. Historische, kunsthistorische, naturwissenschaftliche und konservatorische Aspekte, in: Imprimatur N.F. 14, 1991, S. 55-80, bes. 70-72.
Zipelius, Julia: Der Utrechter Altar und die Malerei um 1400 am Mittelrhein, in: Dr. Wilhelm Jung, Direktor des Dom- und Diözesanmuseums Mainz und Diözesankonservator i.R. zur Vollendung seines 70. Lebensjahres = Mainzer Zeitschrift 87-88, 1992-1993, S. 11-133, hier 96-97.
Dobras, Wolfgang (Red.): Gutenberg - aventur und kunst. Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution, hrsg. von der Stadt Mainz anlässlich des 600. Geburtstages von Johannes Gutenberg (Ausst.-Kat. Mainz 2000), Mainz 2000, Kat. Nr. LM 31 (Judith König).
König, Judith: Die Chorbücher des Mainzer Karmeliterklosters, in: Wolfgang Dobras (Red.): Gutenberg - aventur und kunst. Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution, hrsg. von der Stadt Mainz anlässlich des 600. Geburtstages von Johannes Gutenberg (Ausst.-Kat. Mainz 2000), Mainz 2000, S. 556-559.
Saurma-Jeltsch, Lieselotte E.: Spätformen mittelalterlicher Buchherstellung. Bilderhandschriften aus der Werkstatt Diebold Laubers in Hagenau, Habilitationsschrift TU Berlin, 2 Bde., Wiesbaden 2001, S. 170.
König, Judith: Die Mainzer Karmeliter-Chorbücher. Studien zur mittelrheinischen Buchmalerei des 15. Jahrhunderts, Diss. Mainz 2006 [Katalog zu diesem Band: S. 22-25, 247-251]. [Online seit 2011: URL: http://ubm.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2011/2828/ (URN: urn:nbn:de:hebis:77-28287).]
Online-Ressourcen:
http://cantusdatabase.org/source/374043/d-mzb
Abbildungen
4v = Clm 29316(144 [Müller 1832/1837, vor S. 59; Detail; in Farbe]
4v = Clm 29316(144 [Ausst.-Kat. Mainz 2000, S. 563]
31r [Oltrogge/Fuchs 1991, Abb. 11; Detail]
Weitere Aufnahmen bei J. König 2006.
Einband
Heller Ledereinband, erneuert im 16. Jh. Streicheisenlinien und Stempel (aufgeführt bei König 2011).
Messingschließen und -beschläge um 1430. Zwei Schließen mit Befestigung auf der Vorderseite, sowohl unter den Dornen als auch auf den eigentlichen Schließen jeweils ein Wappen: Adler mit Hammer auf der Brust und Stier sowie Hirsch und Sparren. Nur noch die beiden unteren Eckbeschläge: durchbrochen mit Drachenpaaren.
Inhalt
[Bl. 1 verloren.]
Bl. 2-3 aus anderen Zusammenhängen:
- 2r Antiphon zu Ascensio domini, Inc.: O rex gloriae… (vgl. CAO 4079);
- 3r unvollständige Responsorien aus dem Fest einer Jungfrau (Agnes?), erstes Inc: Regnum mundi… (vgl. CAO 7524 u. 7826).
6r-277v Antiphonale, Temporale, 1. Teil (vom 1. Adventssonntag bis zu den Wochentagen Sexagesima):
- 6r-19r [Anfang auf Bl. 4: München, BSB, Clm 29316(144; Bl. 5 verloren] 1. Adventssonntag.
- 19r-23v Wochentage der ersten Adventswoche.
- 23v-33r 2. Adventssonntag.
- 33r-35v [Ende verloren] Wochentage der zweiten Adventswoche.
- 37r-46v [Beginn verloren] 3. Adventssonntag.
- 46v-48r Wochentage der dritten Adventswoche.
- 48r-58v 4. Adventssonntag.
- 58v-62v Wochentage der vierten Adventswoche.
- 62v-70r [U.a. Anfang verloren] Vermutlich 5. Adventssonntag.
- 70r-80r Wochentage der fünften(?) Adventswoche.
- 80r-87v Weihnachtsvigil.
- 87v-108r Weihnachten [Textverluste].
- 108r-125r Stephanus.
- 125r-139r Johannes Evangelista.
- 139r-v >Memoria de nat. domini<.
- 139v-140r >Memoria de s. Stephano<.
- 140r-v >Memoria de nat. domini<.
- 140v >Memoria de s. Stephano<.
- 140v-150v Innocentes.
- 150v-151r >Memoria de nat. domini<.
- 151r >Memoria de s. Stephano< .
- 151r-v >De sancto Johannes apostolo<.
- 151v-152r >Memoria de sancto Thome<.
- 152r >Memoria de nat. domini<.
- 152r >Memoria de s. Stephano<.
- 152r >Memoria de s. Johanne<.
- 152r-162r Thomas.
- 162r-165r Weitere Memorien.
- 165r-176v Circumcisio domini.
- 178r-178v Vigil zu Epiphanias.
- 178v-191r Epiphanias.
- 191r-197 >In crastino Epiphaniae ad mat.<.
- 197r Woche nach Epiphanias.
- 197r-v Oktav zu Epiphanias.
- 197v-199v Hilarius und Remigius.
- 200r >Memoria de epiphania domini<.
- 200v-201v Samstag nach der Oktav von Epiphanias.
- 201v-244v Sonntage nach der Oktav zu Epiphanias, z.T. mit Wochentagen.
- 245r-247r Samstag Septuagesima.
- 247r-261r Sonntag Septuagesima.
- 261v-263v [Ende verloren] Samstag Sexagesima.
- 265r-273r [Anfang verloren] Sonntag Sexagesima.
- 273-277v Wochentage.
278r-IIr Alphabetisches Register der Antiphone und Responsorien (16. Jh.)
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