* Mainz, Martinus-Bibliothek, Hs 5

Evangelistar aus St. Peter vor Mainz

Pergament - II + 165 + I Bl. - 28 x 20,5 cm (beschnitten und mit Goldschnitt versehen; alte römische Zählung rot auf der Verso-Seite oben.) - Mainz - um 1485

[Anmerkung: In älteren Fassungen dieser Beschreibungen wurde als Datierung irrtümlich "um 1475" angegeben.]

 

Schrift und Ausstattung

Textura, mit nachträglichen i-Strichen und v-formigen Häkchen über u. - Rote oder blaue Initialen, 1v, 61v rot-blau mit schwarzem Fleuronné, 122r blau mit schwarzem Fleuronné, 139r blau mit rotem Fleuronné. - 1r ganzseitige Miniatur mit ungewöhnlichem Jüngsten Gericht aus Deesis über einer Stadt auf einem Berg, zu Seiten des Bergs die Seligen bei Petrus und der Höllenrachen. Am unteren Bildrand dornengekröntes Antlitz Jesu. - 73v (vor 5. Sonntag nach Ostern) ganzseitige Miniatur: In zentralem Medaillon Johannes der Täufer und das Agnus Dei vor einer Burg. In umgebenden Rechteckfeld die vier Evangelistensymbole, auf den Rahmenecken Medaillons mit den vier Kirchenvätern; unten ein Medaillon mit dem Schmerzensmann. Aus Blüten in der Rankenbordüre wachsen Petrus und Paulus. [Anregungen und direkte Vorbilder für die Nebenszenen dürfte der Stich Lehrs 149 des Meisters E.S. geliefert haben. Möglicherweise stammt aber die Grundidee aus dem ottonischen Fuldaer Festtagsevangelistar Aschaffenburg, Hofbibliothek, Ms. 2, das in einer Mainzer Kirche gelegen haben dürfte. Eine ähnliche Ikonographie wie in Hs 5 in der gegen 1495 entstandenen Miniatur 1v des Statutenbuchs von St. Peter, Aschaffenburg, Stiftsbibliothek, Ms. Perg. 13; hier allerdings die Medaillonbildnisse und die Rankenfiguren weggelassen.] - 74v kolorierter Holzschnitt auf Pergament mit Gekreuzigtem und Maria und Johannes, 1. Drittel 16. Jh. - 75r Goldinitiale I mit angewachsenen bunten Ranken zum 5. Sonntag nach Ostern. - 122v unten auf leerer Seite Bild des stehenden Christus mit Sphaira. Auf flatterndem Spruchband Ego sum lux mundi. Qui seq(uitur).

 

Geschichte der Handschrift

Aus dem Mainzer Kanonikerstift St. Peter vor den Mauern. Provenienz ergibt sich aus rekonstruierendem Eintrag IIr, der Betonung Petri in den Miniaturen und der ähnlichen Ikonographie im Statutenbuch von St. Peter.

 

Literatur (überarbeitet 17.01.2014)

Schorn, Georg Julius: St. Peter extra muros, das erste und älteste Mainzer Kollegiatsstift, in: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde N.F., 14, 1925, S. 496-520, hier 514 [irrtümlich mit einer Anschaffung von vor 1428 identifiziert].

[Dörr, Margarete:] Handschriftenkatalog der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars, maschinenschriftlich, Mainz o.J. [vor 1963], o.S.

Vaassen, Elgin: Die Werkstatt der Mainzer Riesenbibel in Würzburg und ihr Umkreis, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 13, 1973, Sp. 1121-1428, bes. 1365-1367.

Hofmann, Josef/Hauke, Hermann: Die Handschriften der Stiftsbibliothek und der Stiftskirche Aschaffenburg (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg 16), Aschaffenburg 1978, S. 21-24 [zum Statutenbuch von St. Peter, Ms. Perg. 13 der Stiftsbibliothek Aschaffenburg].

Krämer, Sigrid: Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1), 3 Teile, Teil 3 unter Beteiligung von Michael Bernhard, München 1989-1990, Teil 2, S. 550.

Hindman, Sandra/Levi d'Ancona, Mirella/Palladino, Pia, Saffiotti, Maria Francesca: The Robert Lehman Collection. Bd. 4: Illuminations,New York/Princeton 1997, S. 13-19 (Sandra Hindman).

Brinkmann, Bodo/Kemperdick, Stephan: Deutsche Gemälde im Städel 1300-1500, hrsg. v. Herbert Beck (Kataloge der Gemälde im Städelschen Kunstinstitut Frankfurt am Main 4), Mainz 2002, S. 391-400 (Bodo Brinkmann), bes. S. 399.

Berger, Thomas: Zur Geschichte des Mainzer Kollegiatstifts St. Peter, in: Ders. (Hrsg.): Die Herrlichkeit dieses Hauses. St. Peter in Mainz. 1756-2006. Einblicke in 250 Jahre Geschichte der ehemaligen Stifts- und späteren Pfarrkirche sowie der Pfarrei St. Peter, Mainz 2006, S. 22-62, hier 31 [und S. 303-304].

Pelizaeus, Anette: Miniaturen in Mainzer Handschriften des Mittelalters, in: Mechthild Dreyer/Jörg Rogge (Hrsg.): Mainz im Mittelalter, Mainz 2009, S. 157-174, 236-238, hier 159, 162 u. Anm. 11-12.

Winterer, Christoph: Die mittelalterlichen Handschriften der Martinus-Bibliothek, in: Helmut Hinkel (Hrsg.): Bibliotheca S. Martini Moguntina. Alte Bücher - Neue Funde (Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz 2012), Mainz/Würzburg 2012, S. 31-46, hier 40.

 

Abbildungen

74v [Berger 2006, S. 32; in Farbe]

75r [Berger 2006, S. 32; in Farbe]

 

Einband

Brauner Wildledereinband mit Schließen von H.D. Lomp (Schlitz), 2001. - Die Reste des schwarzen Rokoko-Einband mit überwiegend vegetabilen Goldpressornamenten und einer gesprengten Kartusche mit dem Agnus Dei in der Mitte, die Innenauskleidung aus bemaltem rosa Papier sowie die spätmittelalterlichen(!) Schließen werden seit der Anfertigung des neuen Einbands in separaten Mappen aufbewahrt.

 

Fragmente

Zwei längliche Pergamentstreifen mit Textura und Notation bei den Einbandresten aufbewahrt. 14. Jh.(?)

 

Inhalt

IIr Herkunftsangabe, Beschreibung von Miniaturen und Stich, kurze Charakterisierung des Inhalts (19. Jh., wohl selbe Hand wie in Hs 11).

1v-164v Evangelistar.

1v-122r Temporale vom ersten Adventssonntag bis zum Freitag nach dem 25. Sonntag nach Pfingsten, >Evangelia per circulum anni de tempore<. Ein Blatt mit Text nach Bl. 1 verloren. Die Heiligenfeste nach Weihnachten enthalten. Besonderheiten: Eine zusätzliche Messe zum ersten Adventssonntag >In ortu diei<, in der ersten Messe 2 Evangelien (Cum appropinquasset Lk 19,29-36 nach Mainzer Ritus u. Exiit edictum Lk 2,1-14), im Advent auch Evangelien für einen Teil der Wochentage.

123r-137v Sanktorale >Sequitur de sanctis<. Beginnend mit Paulus Eremita bis Thomas Becket (zum großen Teil ist nur der Beginn der Perikopen gegeben).

139r-164v >Incipit Comune sanctorum. primo De apostolis< (ab 158r Votivmessen und Messen für besondere Anlässe; 164v Rubriken solcher Messen ohne Text, 163r ohne Text oder nur mit Textanfängen). Besonderheiten: 68r, 159r De lancea et clavis

 

 

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